Prof. Dr. Elena Esposito und Prof. Dr. Fritz B. Simon

Unsere Gesellschaft hat eine offene Zukunft und will sie auch haben: Die traditionelle Vorstellung einer vom Schicksal vorbestimmten Zukunft erscheint uns bedrückend, ja fast unerträglich. Uns steht ein unbestimmter Bereich gegenüber, den nicht einmal Gott im Voraus sehen kann. Denn es gibt keine schon entschiedenen, „künftigen Dinge“, sondern bloß einen Horizont, der sich ständig verändert und der von gegenwärtigen Entscheidungen abhängt.
Sind wir aber sicher, dass diese Situation so vorteilhaft ist? Die geschlossene Zukunft der antiken Gesellschaften hatte auch beruhigende Seiten – zumindest in der Form des Fatalismus – und konnte wenigstens Rationalität versprechen. Unsere offene Zukunft bildet sich in jeder Gegenwart neu und niemand könnte mit Sicherheit behaupten, dass ihre Evolution einem Plan oder einer Logik entspricht. Heute sagt man, die Zukunft habe schon angefangen. Eine zunächst sinnlose Behauptung, die aber eine unnegierbare Tatsache reflektiert: Die uns erwartende Zukunft hängt von dem ab, was wir heute tun.
Wie können wir dann in der Gegenwart die Vergangenheit realisieren, die unsere Zukunft benötigen wird? Wie können wir in unseren Entscheidungen die Verantwortung für die Zukunft berücksichtigen, wenn wir weder wissen noch wissen können, wie diese Zukunft sich verwirklichen wird? Wie können wir also das Unerkennbare planen?
Was uns erst Kopfzerbrechen bereitet, lässt sich in der Differenz von Kontrolle und Steuerung lösen: Die unkontrollierbare Zukunft kann gesteuert werden. Man führt Diskontinuitäten ein, um zu sehen, was für Folgen sie haben, und um dann aus diesen lernen zu können. Mit der Erwartung, überrascht zu werden, kann man auf solche Überraschung reagieren und Gelegenheiten ergreifen. Man handelt immer erst und entdeckt dann den Sinn darin – so die Organisationstheorie von Karl E. Weick. Die Frage bleibt: Was bedeutet das für die praktischen Entscheidungen einer Organisation und eines Unternehmens?

Elena Esposito, 1960 in Mailand geboren, ist Soziologin und Dozentin an der Università di Modena e Reggio Emilia. Nach ihrem Soziologiestudium in Bologna studierte Elena Esposito bei Umberto Eco Philosophie und Soziologie an der Universität Bielefeld, wo sie 1991 bei Niklas Luhmann promovierte. Nach Ihrer Habilitation 2001 lehrt Elena Esposito heute Kommunikationssoziologie in Modena. Ihre Schwerpunkte sind soziologische Medientheorie, Gedächtnisforschung und die Soziologie der Finanzmärkte.

Prof. Dr. Fritz B. Simon ist Gründungsprofessor des WIFU. Daneben ist er Mitgründer der Simon, Weber & Friends Systemische Organisationsberatung GmbH, der Management Zentrum Witten GmbH sowie geschäftsführender Gesellschafter des Carl-Auer-Verlags, Heidelberg. Davor hat er lange Jahre als Psychiater, Psychoanalytiker und systemischer Familientherapeut gearbeitet. Jetziger Arbeitsschwerpunkt: Organisationsforschung und -beratung. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Fachartikel und Bücher.